Post by Stefan+ (Stefan Froehlich)Post by Ludger AverborgPost by Stefan+ (Stefan Froehlich)Zudem kommt das wirklich gute Olivenöl aus Apulien
Meinst du wirklich, dass die geographische Herkunft die Hauptrolle
für die Qualität von Oöl spielt?
Ich habe anno damals einige Öle aus Spanien, Italien und
Griechenland durchprobiert (mehr als ein Dutzend, immer aus dem
gehobeneren Segment), und das einzige, das ich geschmacklich vom
Rest - und auch von billigeren Ölen - auch abseits eines direkten
Vergleichs unterscheiden konnte, war jenes aus Apulien.
Vermutlich wird es an den dort verwendeten Sorten liegen, aber
letztendlich ist das vollkommen egal, ich bekomme ja nur das
Gesamtergebnis des Produktionsprozesses zu kaufen.
Post by Ludger AverborgIch denke dass der Erntezeitpunkt, die Sorgfalt bei der Ernte, die
Tatsache dass die Oliven sehr schnell nach der Ernte gepresst
werden da bedeutsamer sind.
Ich denke, ohne es belegen zu können, das Gegenteil; die Sorgfalt i
mProduktionsprozess wird sich sicherlich auf die Qualität auswirken,
aber eher nicht auf die grundlegende Geschmacksnote.
Was passiert beim Erzeuger wirklich? Ich glaube nicht, dass die Erzeuger noch selber pressen und
abfüllen. Die liefern an eine Agrargenossenschaft, wie das ja hier auch mit dem Weizen z.B. ist. Die
Genossenschaft kalkuliert wieviel sie verkaufen kann und mischt dann eventuell anderes Öl darunter,
z.B. aus Marokko oder sonstwoher. Und was die mit dem Öl machen läßt sich nicht nachprüfen. Dann
steht "in Italien hergestellt" darauf, weil ja hier abgefüllt wurde. Nicht "extra natives" Olivenöl
gibt es nicht mehr. Warum auch, das verkauft sich schlechter. Ich habe seit Jahren keins mehr gesehen.
Was sonst noch undeklariert in das Öl geschüttet wird, wage ich nicht anzunehmen. Da wird man die
Regeln der EU nachlesen müssen.
Firsch geprßtes Olivenöl würde dem "Käufer" nicht schmecken, so sagt man. Das ist nämlich ziemlich
herb, bzw. bitter. hier noch ein Zitat:
"... Italien lebt in einem Dauerkonflikt zwischen der Realität und einem idealistischen Anspruch,
dem Traum von einem Ernährungsparadies nach dem Motto: Wir sind in Italien, und daher schwimmt unser
Essen in Olivenöl, weil es so gesund ist wie italienisches Essen überhaupt und folglich gibt es
wenigstens etwas Echtes im Leben. Doch apropos Echtheit: Ob das heute massenhaft konsumierte Öl
tatsächlich aus Italien stammt, muss sehr bezweifelt werden.
Ligurisches Olivenöl reicht nur für einen kleinen Kreis von Auserwählten. Um es sich zu beschaffen,
muss man mit einem Bauern befreundet sein.
Toskanisches Olivenöl reicht nur für einen kleinen Kreis von Auserwählten. Um es sich zu beschaffen,
muss man mit einem Grafen befreundet sein.
Olivenöl vom Gardasee reicht nicht einmal für die lokale Bevölkerung. Manchmal findet man es in
Geschäften, aber ob es tatsächlich vom Gardasee stammt, hängt einzig und allein von der Seriosität
des Händlers ab.
In Umbrien bekommt man, wenn alles gutgeht, in den kleinen Städten Öl aus heimischer Produktion.
In Apulien bekommt man am leichtesten ungepanschtes Öl aus heimischer Produktion (aus dieser Region
stammen fast 40 des gesamten italienischen Öls). Echtes apulisches Olivenöl wird auch außerhalb
Apuliens verkauft, seine Qualität ist aber nicht überragend.
Italienische Rezepte und Kochbücher verlangen grundsätzlich immer Olivenöl extravergine. Man glaubt
intuitiv, dieses Öl gehe auf eine geheiligte Kochtradition zurück, schenke Gesundheit und ein langes
Leben und schütze vor Krankheiten.
Auf manchen Flaschen steht: »Man kann davon ausgehen, dass dieses Öl Gefäßerkrankungen vorbeugt.«
Die vorsichtige Formulierung trübt nicht die Faszinationskraft, die der Inhalt der Flasche ausübt.
Doch es stimmt: Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Olivenöl extravergine in die
Kategorie des functional food gehört, also zu jenen Lebensmitteln, die Krankheitsrisiken mindern,
und in die Kategorie des nutraceutical food, also der »medizinischen« Nahrungsmittel, die die
physiologischen Funktionen des Organismus positiv beeinflussen.
Den Verfechtern von »nativem Olivenöl extra aus Direktpressung mit ausschließlich mechanischen
Verfahren« und von »Olivenöl aus erster Kaltpressung« muss man entgegenhalten, dass die Technologie
der Olivenölgewinnung seit nunmehr bereits fünfzig Jahren nur die erste Pressung kennt, da heutige
Ölpressen mit einem Druck von 450 atü arbeiten und aus den Oliven alles herausholen, was
herauszuholen ist, weshalb es eine zweite Pressung normalerweise gar nicht mehr gibt. Auch der
Hinweis »kalt gepresst« verweist heute nur darauf, dass das Öl auf maximal 27rad erwärmt wird.
Temperaturen bis 60 Grad werden nur bei minderwertigen Ausgangsstoffen verwendet.
Das Auge sucht auf dem Flaschenetikett auch den Zusatz prodotto in Italia, »hergestellt in Italien«
und findet leider viel zu oft confezionato in Italia, »abgefüllt in Italien«. Das bedeutet, es
handelt sich um Öl aus Marokko, Tunesien, der Türkei und in letzter Zeit immer häufiger auch aus
Spanien, das in den Häfen von Genua, Imperia und Bari, den großen Verarbeitungszentren für Olivenöl,
aus riesigen Tankschiffen entladen wird. In diese Häfen gelangt jedoch auch massenhaft Öl
minderwertiger Qualität: Lampantöl, Oliventresteröl und manchmal sogar das aus dem Bodensatz der
Olivenölherstellung gewonnene Produkt, das für die Filter von Klimaanlagen verwendet wird Das
importierte Öl wird veredelt, gestreckt, manchmal raffiniert und in Flaschen mit der Aufschrift
»Confezionato in Italia« abgefüllt.
Wo also gibt es das Öl, das in Mythen besungen wird: das perfekte, unverfälschte, wertvolle
naturreine Olivenöl?
Es existiert in unserer kollektiven Phantasie. Mit all unseren Betrachtungen über das Olivenöl, das
in sechzehn der zwanzig Regionen Italiens erzeugt wird, feiern wir ein Idealbild, das auch im
Bewusstsein der Konsumenten des »Olivennektars« vorherrscht: die Idee eines reinen und gesunden Öls,
eines natürlichen Lebenssaftes als Grundnahrungsmittel eines Volkes, das direkten Zugang zur
spirituellen Basis des Lebens hat. Unser Kult des Olivenöls ist eng mit den christlichen Sakramenten
verbunden, Olivenöl und »heiliges Öl« sind dasselbe. Zur Mittagszeit steht auf jedem Tisch Italiens
unabhängig von der Aufschrift auf dem Flaschenetikett ein winziger Bruchteil jener heilsamen
Flüssigkeit, die als ein Quell der Unsterblichkeit gilt.!
Aus: Kostioukovitch, Elena; Die Italiener und ihre Leidenschaft für das Essen